Stellungnahme zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des nationalen Rechts an die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS-Anpassungsgesetz)
(Bearbeitungsstand: 11. Oktober 2024, 16.54 Uhr)
und
eines Gesetzes zur Änderung des AZRG und weiterer Gesetze in der Folge der Anpassung des nationalen Rechts an das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS-Anpassungsfolgegesetz)
(Bearbeitungsstand: 18. September 2024, 10.37 Uhr)

THEMA

GEAS-Anpassungsgesetz

AUTOR

Dr. Robert Seegmüller
(Vorsitzender)

VERÖFFENTLICHT AM

21. Oktober 2024

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Der Bund Deutscher Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen bedankt sich für die Übermittlung der Entwürfe eines Gesetzes zur Anpassung des nationalen Rechts an die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS-Anpassungsgesetz) (Bearbeitungsstand: 11. Oktober 2024, 16.54 Uhr) und eines Gesetzes zur Änderung des AZRG und weiterer Gesetze in der Folge der Anpassung des nationalen Rechts an das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS-Anpassungsfolgegesetz) (Bearbeitungsstand: 18. September 2024, 10.37 Uhr). In Ansehung der zur Verfügung stehenden Zeit beschränken wir uns auf Ausführungen zu Art. 1 und 2 des Referentenentwurfs zu einem GEAS-Anpassungsgesetz, soweit sie die Rechtswegzuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit betreffen.
Die frühzeitige Umsetzung der durch das Gemeinsame Europäische Asylsystem veranlassten Anpassungen in das nationale Recht wird begrüßt. Sie ermöglicht es den Rechtsanwendern, sich frühzeitig mit dem neuen Zusammenspiel unionsrechtlicher und nationaler Normen vertraut zu machen.
Zu den einzelnen Normen nehmen wir wie folgt Stellung:

1. Änderungen des Asylgesetzes
Zu Art. 1 Nr. 2 Buchst. b – § 1 Abs. 3 AsylG-E
Gemäß § 1 Abs. 3 AsylG-E gilt dieses Gesetz auch für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die nicht Deutsche sind, wenn der Asylantrag berücksichtigt oder zur Bearbeitung zugelassen wurde, weil die Voraussetzungen des Protokolls (Nr. 24) über die Gewährung von Asyl für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union vorliegen.
Mit dem Ziel einer präziseren Bezeichnung des Protokolls Nr. 24 über die Gewährung von Asyl für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union wird angeregt, dem Wort „Protokolls“ die Wörter „dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union anhängenden“ voranzustellen.

Zu Art. 1 Nr. 4 – § 3 Satz 2 AsylG-E
Gemäß § 3 Satz 2 AsylG-E ist hinsichtlich der Anwendung von Art. 14 Abs. 2 VO (EU) 2024/1347 eine besonders schwere Straftat im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Buchst. e VO (EU) 2024/1347 anzunehmen, wenn die in § 60 Abs. 8 AufenthG genannten Voraussetzungen vorliegen.
Der Begriff der „besonders schweren Straftat“ in Art. 14 Abs. 1 Buchst. e VO (EU) 2024/1347 ist ein unionsrechtlicher Begriff, der an Art. 14 Abs. 4 Buchst. b RL 2011/95/EU anknüpft. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat als eine solche „besonders schwere Straftat“ eine Straftat angesehen, die angesichts ihrer spezifischen Merkmale eine außerordentliche Schwere aufweist und die Rechtsordnung der betreffenden Gesellschaft am stärksten beeinträchtigt. Für die Bestimmung des Schweregrades sind insbesondere die für diese Straftat angedrohte und die verhängte Strafe, die Art der Straftat, etwaige erschwerende oder mildernde Umstände, die Frage, ob diese Straftat vorsätzlich begangen wurde, Art und Ausmaß der durch diese Straftat verursachten Schäden sowie das Verfahren zur Ahndung der Straftat zu berücksichtigen. Der Schweregrad kann nicht durch die Kumulierung einzelner Straftaten erreicht werden, von denen keine als solche eine besonders schwere Straftat darstellt. Unter Beachtung dieser Grundsätze steht es den Mitgliedstaaten frei, Mindestschwellen festzulegen, die eine einheitliche Anwendung dieser Bestimmung erleichtern, entbinden deren Behörden und Gerichte indes nicht von einer vollständigen Prüfung sämtlichen Umstände des jeweiligen Einzelfalls (EuGH, Urteile vom 6. Juli 2023 – C-402/22, Rn. 24 ff., und C-663/21, Rn. 30 f. -).
Da sich in § 60 Abs. 8 AufenthG-E, auf den § 3 Satz 2 AsylG-E pauschal verweist, der Begriff der „besonders schweren Straftat“ nicht wiederfindet und der Maßstab für die Bestimmung des Schweregrades der Straftat ein unionsrechtlicher ist, sollten der Begründung zu § 3 Satz 2 AsylG-E entsprechende Ausführungen vorangestellt werden.

Zu Art. 1 Nr. 6 Buchst. a – § 5 Abs. 1 Satz 3 AsylG-E

Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 AsylG-E ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) Asylbehörde im Sinne des Art. 4 Abs. 1 VO (EU) 2024/1348; es nimmt Asylanträge entgegen, prüft diese und erlässt Entscheidungen über den Asylantrag; dies umfasst Entscheidungen über Überstellungen nach Art. 42 Abs. 1 VO (EU) 2024/1351. Das Bundesamt entscheidet nach § 5 Abs. 1 S. 2 AsylG-E auch über den Entzug der Anerkennung als Asylberechtigter oder der Zuerkennung des internationalen Schutzes. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 AsylG-E ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nach Maßgabe dieses Gesetzes auch für ausländerrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen zuständig.
Es könnte sich empfehlen, die Wörter „nach Maßgabe dieses Gesetzes“ zur Herstellung von Rechtsklarheit in der Entwurfsbegründung in Abgrenzung zur Zuständigkeit der Ausländerbehörden näher zu konkretisieren.

Zu Art. 1 Nr. 9 Buchst. a – § 10 Abs. 1 AsylG-E
Die Ausführungen in der Begründung des Entwurfs beziehen sich auf § 10 Abs. 2 AsylG-E. Eine Begründung zu § 10 Abs. 1 AsylG-E unterbleibt.

Zu Art. 1 Nr. 25 – § 24 AsylG
In der Begründung zur Streichung von § 24 AsylG ist die Verweisung auf Art. 31 Abs. 3 VO (EU) 2024/1348 in eine Verweisung auf Art. 31 Abs. 2 VO (EU) 2024/1348 zu berichtigen.

Zu Art. 1 Nr. 26 – § 25 AsylG-E
Gemäß Art. 13 Abs. 13 UAbs. 3 VO (EU) 2024/1348 können die Mitgliedstaaten im nationalen Recht bestimmen, dass ein Rechtsberater, der an der persönlichen Anhörung teilnimmt, erst am Ende der persönlichen Anhörung eingreifen darf.
Mit dem Ziel der Wahrung einer klaren Strukturierung der Anhörung sollte erwogen werden, von der Option des Art. 13 Abs. 13 UAbs. 3 VO (EU) 2024/1348 auch im deutschen Recht Gebrauch zu machen.

Zu Art. 1 Nr. 27 – § 26 AsylG
Gemäß Art. 23 Abs. 7 Satz 1 VO (EU) 2024/1347 können die Mitgliedstaaten diesen Artikel auf andere nahe Verwandte wie etwa Geschwister anwenden, die vor der Ankunft des Antragstellers im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats innerhalb des Familienverbands lebten und von der Person, der internationaler Schutz gewährt wurde, abhängig sind. Nach Art. 23 Abs. 7 Satz 2 VO (EU) 2024/1347 können die Mitgliedstaaten diesen Artikel auf einen verheirateten Minderjährigen anwenden, sofern dies zum Wohle dieses Minderjährigen geschieht.
Da sich die Begründung nicht zu Art. 23 Abs. 7 VO (EU) 2024/1347 verhält, ist davon auszugehen, dass die Bundesrepublik Deutschland von den Optionen des Art. 23 Abs. 7 Satz 1 und 2 VO (EU) 2024/1347 keinen Gebrauch macht. Dies sollte in der Begründung klargestellt werden.

Zu Art. 1 Nr. 31 – § 29 AsylG-E

Gemäß Art. 38 Abs. 1 Buchst. d VO (EU) 2024/1348 kann die Asylbehörde die Zulässigkeit eines Antrags gemäß den Grundsätzen und Garantien nach Kapitel II prüfen, und sie kann nach nationalem Recht befugt sein, einen Antrag als unzulässig abzulehnen, wenn ein internationales Strafgericht eine sichere Überstellung des Antragstellers in einen Mitgliedstaat oder einen Drittstaat angeordnet hat oder eindeutig Maßnahmen in diesem Sinne ergreift, es sei denn, es sind neue relevante Umstände eingetreten, die vom Gericht nicht berücksichtigt wurden, oder es war rechtlich nicht möglich, vor diesem internationalen Strafgericht Umstände geltend zu machen, die in Bezug auf international anerkannte Menschenrechtsnormen relevant sind.
Eine Konkretisierung von Art. 38 Abs. 1 Buchst. d VO (EU) 2024/1348 unterbleibt.

Zu Art. 1 Nr. 40 Buchst. a – § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG-E
Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG erlässt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Einklang mit Art. 37 VO (EU) 2024/1348 nach den §§ 59 und 60 Abs. 10 AufenthG eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn 1. der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird, 2. dem Ausländer nicht der internationale Schutz zuerkannt wird, 3. die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise zulässig ist, 4. der Abschiebung weder das Kindeswohl noch familiäre Bindungen noch der Gesundheitszustand des Ausländers entgegenstehen und 5. der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Die Inbezugnahme von Art. 37 VO (EU) 2024/1348 lässt erwarten, dass die Norm allein Rückkehrentscheidungen im Sinne der Richtlinie 2008/115/EU betreffen soll.

Zu Art. 1 Nr. 41 Buchst. a – § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylG-E
Soll der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen (Mitglied-)Staat nach Art. 42 Abs. 1 VO (EU) 2024/1351 überstellt werden, so ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG-E an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Kann eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG-E nicht ergehen, so erlässt das Bundesamt gemäß § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylG-E eine Abschiebungsandrohung für den jeweiligen Staat.
Auf diese Abschiebungsandrohung dürften § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG Anwendung finden. In § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG und § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist Art. 5 RL 2008/115/EG in nationales Recht umgesetzt. Eine Umsetzung von Art. 5 RL 2008/115/EG für den Bereich der Überstellung nach Art. 42 Abs. 1 VO (EU) 2024/1351 und damit eine Anwendung von § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG und von § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG dürfte jedenfalls überschießend sein, da die Richtlinie nur auf die Rückkehr in Länder im Sinne von Art. 3 Nr. 3 RL 2008/115/EG, nicht auf Überstellungen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union Anwendung findet. Gleiches dürfte im Übrigen auch für Rückführungen sonstiger Ausländer in Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteil vom 24. Februar 2021 – C-673/19 – Rn. 29 ff.; ferner BVerwG, Urteil vom 24. April 2024 – 1 C 8.23 – Rn. 24).

Zu Art. 1 Nr. 42 – § 35 AsylG
Gemäß § 35 AsylG droht das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Ausländer in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG die Abschiebung in den Staat an, in dem er vor Verfolgung sicher war. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG-E lehnt das Bundesamt in den Fällen des Art. 38 VO (EU) 2024/1348 den Asylantrag als unzulässig ab, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG-E gewährt hat oder wenn ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union ist, als erster Asylstaat nach Art. 58 VO (EU) 2024/1348 betrachtet wird, es sei denn, es ist eindeutig, dass der Ausländer von diesem Drittstaat nicht übernommen oder rückübernommen wird.
Die Streichung von § 35 AsylG wird in der Entwurfsbegründung als redaktionelle Änderung bezeichnet, da die Regelung neben § 59 Abs. 2 S. 1 AufenthG keinen eigenständigen Regelungsgehalt habe. Während § 59 Abs. 2 Satz 1 AufenthG lediglich allgemein die Pflicht statuiert, den Zielstaat einer Abschiebung zu bezeichnen, verpflichtet § 35 AsylG als lex specialis für die Fälle des § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG-E zur Bezeichnung eines ganz bestimmten Staats als Zielstaat, nämlich des Mitgliedstaats, in dem der Ausländer als schutzberechtigt anerkannt ist oder des Drittstaats, der für ihn als erster Asylstaat anzusehen ist. Damit stellt § 35 AsylG sicher, dass in der Abschiebungsandrohung der sichere Erstaufnahmestaat im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG-E bzw. der weitere Aufnahmestaat im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 4 AsylG-E ausdrücklich als Zielstaat bezeichnet werden. Würde § 35 AsylG gestrichen, so vermöchte dem Ausländer auch die Abschiebung in andere aufnahmebereite Drittstaaten angedroht zu werden.

Zu Art. 1 Nr. 45 – § 38 Abs. 5 AsylG-E
In der Begründung zu § 38 Abs. 5 AsylG-E ist der Verweis auf Art. 4 Abs. 4 RL 2008/115/EG durch einen Verweis auf Art. 7 Abs. 4 RL 2008/115/EG zu ersetzen.

Zu Art. 1 Nr. 47 – § 39 Satz 3 AsylG-E
Gemäß § 39 Satz 3 AsylG-E gilt § 39 Satz 2 und 3 AsylG-E auch für das Wiederaufgreifen nach § 51 VwVfG in den Fällen von § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und 5 AsylG.
Es wird um Prüfung gebeten, ob § 39 Satz 3 AsylG-E die Geltung von § 39 Satz 2 und 3 AsylG-E oder von § 39 Satz 1 und 2 AsylG-E anordnet.
§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG ist der Umsetzung von Art. 5 RL 2008/115/EG zu dienen bestimmt. Art. 5 RL 2008/115/EG beansprucht Geltung für die Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylG, soweit die Rückführung in Länder im Sinne von Art. 3 Nr. 3 RL 2008/115/EG, nicht jedoch in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union erfolgen soll (vgl. oben zu Art. 1 Nr. 41 Buchst. a – § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylG-E).

Zu Art. 1 Nr. 70 – § 68 Abs. 5 AsylG-E
Gemäß § 68 Abs. 5 Satz 1 AsylG-E ist die Anordnung nach § 68 Abs. 1 AsylG-E, der zufolge die nach Landesrecht zuständige Behörde anordnen kann, dass sich ein Ausländer nur an einem bestimmten Ort, der zur Unterbringung von Ausländern geeignet ist, aufhalten darf, schriftlich zu erlassen und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen. Einer Anhörung des Ausländers bedarf es nach § 68 Abs. 5 Satz 2 AsylG-E nicht. Bei der Anordnung ist gemäß § 68 Abs. 5 Satz 3 AsylG-E eventuell bestehenden besonderen Bedürfnissen des Ausländers bei der Aufnahme Rechnung zu tragen.
§ 68 Abs. 5 AsylG-E ist jedenfalls auch der Umsetzung von Art. 9 Abs. 5 RL (EU) 2024/1346 zu dienen bestimmt.

Zu Art. 1 Nr. 76 – § 72 AsylG-E
Gemäß Art. 67 Abs. 1 UAbs. 2 VO (EU) 2024/1348 können die Mitgliedstaaten abweichend von Art. 67 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. d VO (EU) 2024/1348 in ihrem nationalen Recht bestimmen, dass in den in Art. 66 Abs. 6 VO (EU) 2024/1348 genannten Fällen kein Rechtsbehelf eingelegt werden kann. Nach Art. 66 Abs. 6 Buchst. a bis c VO (EU) 2024/1348 findet das Verfahren nach diesem Artikel keine Anwendung, wenn der Drittstaatsangehörige oder Staatenlose a) eindeutig auf seine Anerkennung als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz verzichtet, b) die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats erworben hat oder c) nachträglich in einem anderen Mitgliedstaat internationalen Schutz erhalten hat.
Der Umsetzung dieser Regelung ist ausweislich der Entwurfsbegründung der Anpassung an Art. 66 Abs. 6 und Art. 67 Abs. 1 UAbs. 2 VO (EU) 2024/1348 § 72 Abs. 3 AsylG-E zu dienen bestimmt. Gemäß § 72 Abs. 3 Satz 1 AsylG-E erhält der Ausländer auf Antrag eine Bestätigung des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 72 Abs. 1 AsylG-E. Diese Bestätigung ist nach § 72 Abs. 3 Satz 2 AsylG-E nicht anfechtbar.
Der Umstand, dass die Bestätigung des Vorliegens der Erlöschensvoraussetzungen des § 72 Abs. 1 AsylG-E nicht anfechtbar ist, dürfte einen Ausländer nicht daran hindern, mit der Anfechtungsklage einen in diesem Kontext ergehenden Verwaltungsakt anzufechten, der das Erlöschen ausdrücklich oder inzidenter feststellt, oder im Wege der allgemeinen Feststellungsklage die Feststellung des Nichterlöschens des Status zu begehren. Es wird daher angeregt, § 72 Abs. 3 AsylG-E dahingehend zu ändern, dass gerichtlicher Rechtsschutz gegen das Erlöschen der Anerkennung als Asylberechtigter und der Zuerkennung des internationalen Schutzes in den von Art. 66 VO (EU) 2024/1348 geregelten Fällen nicht eröffnet ist und dass der Ausländer auf Antrag eine Bestätigung des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 72 Abs. 1 AsylG-E erhält.

Zu Art. 1 Nr. 78 Buchst. b – § 73b Abs. 1 Satz 3 AsylG-E
Gemäß Art. 14 Abs. 1 Buchst. e VO (EU) 2024/1347 entzieht die Asylbehörde einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen die Flüchtlingseigenschaft, wenn dieser Drittstaatsangehörige oder Staatenlose eine Gefahr für die Allgemeinheit des Mitgliedstaats, in dem dieser Drittstaatsangehörige oder Staatenlose sich aufhält, darstellt, weil dieser Drittstaatsangehörige oder Staatenlose wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
Der Begriff der „Gefahr für die Allgemeinheit“ in Art. 14 Abs. 1 Buchst. e VO (EU) 2024/1347 ist ein unionsrechtlicher Begriff, der an Art. 14 Abs. 4 Buchst. b RL 2011/95/EU anknüpft und in der Rechtsprechung des Gerichtshofs dahingehend verstanden wird, dass von dem Drittstaatsangehörigen eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für ein Grundinteresse der Allgemeinheit des Mitgliedstaats ausgehen muss, in dem er sich aufhält (vgl. nur EuGH, Urteil vom 6. Juli 2023 – C-8/22 – Rn. 60).
Die Konkretisierung, die der entsprechende Begriff in § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG-E erfährt, auf den in der Entwurfsbegründung zu § 73b Abs. 1 Satz 3 AsylG-E verwiesen wird, muss hiermit nicht identisch sein. Insbesondere sollte der Eindruck vermieden werden, ein unionsrechtlicher Begriff werde unter Heranziehung nationalrechtlicher Maßstäbe ausgelegt.

Zu Art. 1 Nr. 82 Buchst. b – § 77 Abs. 5 AsylG-E
Gemäß Art. 69 VO (EU) 2024/1348 legen die Mitgliedstaaten in ihrem nationalen Recht unbeschadet einer angemessenen und vollständigen Prüfung eines Rechtsbehelfs angemessene Fristen fest, innerhalb deren das Gericht Entscheidungen gemäß Art. 67 Abs. 1 VO (EU) 2024/1348 prüfen muss.
§ 77 Abs. 5 Satz 1 AsylG-E sieht insoweit eine Entscheidungsfrist von sechs Monaten vor, die unter den entsprechend für anwendbar erklärten Voraussetzungen des Art. 35 Abs. 5 VO (EU) 2024/1348 um höchstens sechs weitere Monate verlängert werden kann.
Es wird davon abgesehen, die mangelnde Ausgestaltung von § 77 Abs. 5 Satz 1 AsylG-E als Soll-Regelung verfassungsrechtlich zu hinterfragen. Die sechsmonatige Entscheidungsfrist ist im Lichte des Ziels der Beschleunigung von Asyl- und asylgerichtlichen Verfahren grundsätzlich angemessen. Ihre Wahrung wird die Verwaltungsgerichte indes insbesondere in Ansehung der weiterhin hohen Belastung der Verwaltungsgerichte vor Herausforderungen stellen. Diese werden auf absehbare Zeit nur bei einer auskömmlichen Personalausstattung der Gerichtsbarkeit zu meistern sein, zumal die Verwaltungsgerichte auch in anderen Rechtsbereichen gehalten sind, zeitnahen und qualitativ hochwertigen Rechtsschutz zu gewähren.

Zu Art. 1 Nr. 82 Buchst. b – § 77 Abs. 6 AsylG-E
Gemäß Art. 35 Abs. 8 Satz 1 VO (EU) 2024/1348 legen die Mitgliedstaaten Fristen für den Abschluss des Prüfungsverfahrens für die Fälle fest, in denen ein Gericht die Entscheidung der Asylbehörde aufhebt und die Sache zurückverweist. Nach Art. 35 Abs. 8 Satz 1 VO (EU) 2024/1348 müssen diese Fristen kürzer sein als die in diesem Artikel festgelegten Fristen.
§ 77 Abs. 6 AsylG-E sieht vor, dass für den Fall, dass das Gericht die Entscheidung des Bundesamts aufhebt und den Rechtsstreit an dieses zurückverweist, das Bundesamt im Einklang mit Art. 35 Abs. 8 VO (EU) 2024/1348 innerhalb einer Frist von drei Monaten entscheidet.
Die Regelung eröffnet die Möglichkeit einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Fällen, in denen dieses zu Unrecht von einer Unzulässigkeit des Schutzantrags ausgeht. Alternativ kann das Verwaltungsgericht nach § 77 Abs. 7 AsylG-E auch in der Sache selbst entscheiden. Das Instrument einer Zurückverweisung an das Bundesamt ist dem deutschen Prozessrecht bislang fremd. Schon jetzt bewirkt die Aufhebung eines Bescheides, dass das Bundesamt von Amts wegen erneut über den bei ihm weiterhin anhängigen Schutzantrag entscheidet. Unklar ist, ob in den Fällen des § 77 Abs. 6 AsylG-E die Drei-Monatsfrist nur im Falle eines förmlichen Ausspruchs der Zurückverweisung ausgelöst würde oder ob – was teleologisch näherläge – die bloße Aufhebungsentscheidung diese Rechtsfolge ebenfalls zeitigt.

Zu Art. 1 Nr. 83 Buchst. b – § 78 Abs. 9 AsylG-E
Gemäß § 78 Abs. 9 Satz 1 AsylG-E gilt ein Antrag nach Art. 68 Abs. 7 VO (EU) 2024/1348 mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung als gestellt; mit der Entscheidung über die Zulassung der Berufung entscheidet das Oberverwaltungsgericht auch über den Antrag nach Artikel 68 Abs. 7 VO (EU) 2024/1348. Dies gilt nach § 78 Abs. 9 Satz 2 AsylG-E auch für Anträge nach § 133 und § 134 VwGO. Hat das Oberverwaltungsgericht die Revision zugelassen, gilt dies gemäß § 78 Abs. 9 Satz 3 AsylG-E als Entscheidung nach Art. 68 Abs. 7 VO (EU) 2024/1348. Die Abschiebung ist nach § 78 Abs. 9 Satz 4 AsylG-E bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig.
Die Stellung von § 78 Abs. 9 AsylG-E ist im Kontext von Art. 68 Abs. 7 VO (EU) 2024/1348 zu sehen und der Realisierung des verordnungsrechtlich unter den Vorbehalt einer stattgebenden gerichtlichen Entscheidung gestellten Rechts auf Verbleib zu dienen bestimmt. Während die Zulassungsberufung in § 78 Abs. 2 bis 5 AsylG geregelt ist, trifft § 78 Abs. 6, 8 und 8a AsylG revisionsrechtliche Regelungen. Art. 68 Abs. 7 VO (EU) 2024/1348 sieht die Fiktion der Stellung eines Antrages auf Verbleib nicht vor. Vielmehr statuiert er den Grundsatz, dass ein Recht des Antragstellers oder einer Person, der der internationale Schutz entzogen wurde, auf (weiteren) Verbleib im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaates im Anschluss an eine den Rechtsbehelf in der Hauptsache abweisende gerichtliche Entscheidung ausgeschlossen ist. Gemäß Art. 68 Abs. 7 VO (EU) 2024/1348 hat ein Antragsteller oder eine Person, der der internationale Schutz entzogen wurde, der oder die einen weiteren Rechtsbehelf gegen die Entscheidung über einen ersten oder einen weiteren Rechtsbehelf einlegt, kein Recht auf Verbleib im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, es sei denn, das Gericht erlaubt auf Antrag des Antragstellers oder der Person, der der internationale Schutz entzogen wurde, oder von Amts wegen, wenn der Grundsatz der Nichtzurückweisung geltend gemacht wurde, dem Antragsteller oder Person, der der internationale Schutz entzogen wurde, zu bleiben. Diese Regelung entspricht Erwägungsgrund 94 VO (EU) 2024/1348, dem zufolge Antragsteller, um eine wirksame Rückkehr zu gewährleisten, im Stadium eines Rechtsbehelfs in zweiter oder höherer Instanz vor einem Gericht gegen eine ablehnende Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz nicht das Recht haben sollten, im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats zu verbleiben, unbeschadet der Möglichkeit für ein Gericht, dem Antragsteller den Verbleib zu gestatten. Für die Dauer eines gegen diese Entscheidung betriebenen Rechtsmittelverfahrens soll ein Recht auf (weiteren) Verbleib im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats daher einer Entscheidung durch das Rechtsmittelgericht vorbehalten bleiben, das hierüber im Lichte des Refoulementverbots zu befinden hat.
Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung oder der Sprungrevision gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts und die Entscheidung über die Zulässigkeit oder Begründetheit einer Nichtzulassungsbeschwerde gegen eine berufungsgerichtliche Entscheidung stehen in keinem inhaltlichen Zusammenhang mit dem Refoulementverbot. Daher dürften sowohl die Fiktion eines Antrags auf Verbleib mit der fristgerechten Einlegung eines Rechtsmittels als auch die Gleichsetzung einer stattgebenden Entscheidung über die Zulassung des Rechtsmittels mit einer stattgebenden Entscheidung über den Antrag auf Verbleib der Grundentscheidung des § 68 Abs. 7 VO (EU) 2024/1348 zuwiderlaufen. Eine entsprechende Verknüpfung dürfte zudem eine Zunahme von Rechtsmittelanträgen zur Folge haben.

Zu Art. 1 Nr. 89 – § 87e AsylG-E
Gemäß § 87e Abs. 2 AsylG-E findet in Übereinstimmung mit Art. 1 und Art. 79 Abs. 3 VO (EU) 2024/1348 die Verordnung (EU) 2024/1347 für die Prüfung nach dem Asylgesetz-E (erst) Anwendung in Bezug auf Anträge, die ab dem 12. Juni 2026 eingereicht werden.
Die Geltungsbestimmung knüpft an Art. 79 Abs. 3 Satz 1 VO (EU) 2024/1348 an, dem zufolge diese Verordnung für das Verfahren für die Zuerkennung des internationalen Schutzes in Bezug auf Anträge gilt, die ab dem 12. Juni 2026 eingereicht werden. Der sachliche Geltungsbereich von Art. 79 Abs. 3 Satz 1 VO (EU) 2024/1348 bezieht sich allein auf das Asylverfahrens-, nicht jedoch auch auf das materielle Schutzrecht, das in der Verordnung (EU) 2024/1347 geregelt ist. Dies ergibt sich auch aus Art. 79 Abs. 3 Satz 2 VO (EU) 2024/1348, welcher die Fortgeltung der Richtlinie 2013/32/EU für Anträge auf internationalen Schutz anordnet, die vor dem 12. Juni 2026 eingereicht werden. Entsprechendes folgt auch aus Art. 79 Abs. 3 Satz 3 VO (EU) 2024/1348. Art. 1 VO (EU) 2024/1348 rechtfertigt die in § 87 Abs. 2 AsylG-E in Aussicht genommene Verklammerung ebenfalls nicht. Er beschreibt allein den Gegenstand der Verordnung (EU) 2024/1348. Dieser besteht in der Einführung eines gemeinsamen Verfahrens für die Zuerkennung und den Entzug internationalen Schutzes im Sinne der Verordnung (EU) 2024/1347. Die Umschreibung des Begriffes „internationaler Schutz“ vermag indes eine Erstreckung der Übergangsregelung des Art. 79 Abs. 3 VO (EU) 2024/1348 auf die Verordnung (EU) 2024/1347 nicht zu bewirken. Dies gilt umso mehr, als diese eine entsprechende Übergangsbestimmung nicht vorsieht, sondern in Art. 42 UAbs. 2 VO (EU) 2024/1347 anordnet, dass sie ab dem 1. Juli 2026 gilt und daher für sämtliche zu diesem Stichtag anhängige Anträge auf internationalen Schutz anzuwenden ist, mögen sie auch vor dem 12. Juni 2026 bereits eingereicht worden sein.
§ 87e Abs. 2 AsylG-E hätte zur Folge, dass etwa das Bundesverwaltungsgericht über einen langen Zeitraum nach dem 12. Juni 2026 gehindert wäre, seiner Kernaufgabe, letztverbindliche, der Rechtskraft fähige Entscheidung über asylrechtliche Rechtsfragen und die hierzu ergehende Rechtsprechung zu vereinheitlichen, nachzukommen.

2. Änderungen des Aufenthaltsgesetzes
Zu Art. 2 Nr. 21 Buchst. b – § 60 Abs. 8 AufenthG-E
Auf die Anmerkungen zu Art. 1 Nr. 4 – § 3 Satz 2 AsylG-E – und zu Art. 1 Nr. 78 Buchst. b – § 73b Abs. 1 Satz 3 AsylG-E – wird Bezug genommen.

Dr. Robert Seegmüller
(Vorsitzender)
Berlin, den 21. Oktober 2024